Quantencomputer in Deutschland: Der nächste Schritt in der digitalen Revolution

Von Rene Reinisch

Inmitten eines technologischen Paradigmenwechsels beginnt Deutschland, sich auf einen der vielversprechendsten, aber auch anspruchsvollsten Pfade der digitalen Transformation zu begeben: den der Quantencomputing-Technologie. Während herkömmliche Computer an physikalische Grenzen stoßen, verspricht das Quantencomputing eine neue Dimension der Informationsverarbeitung. Deutschland steht dabei vor einer doppelten Herausforderung. Den internationalen Anschluss nicht zu verlieren und zugleich eine eigene, europäisch geprägte Innovationslandschaft zu etablieren.

 

Von der Grundlagenforschung zur Technologie der Zukunft

Deutschlands Position ist durchaus aussichtsreich. Mit einer weltweit anerkannten Tradition in der Quantenphysik, renommierten Forschungsinstituten wie dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik und Universitäten mit Spitzenforschung im Bereich Quantenmechanik verfügt das Land über eine exzellente wissenschaftliche Basis. Doch die eigentliche Herausforderung liegt in der Überführung dieser Grundlagenforschung in marktfähige Anwendungen. Ein Prozess, der in Deutschland historisch oft zu langsam verläuft. Während in den USA und China milliardenschwere Konzerne wie IBM, Google und Alibaba längst konkrete Anwendungen testen und patentieren, hinkt Deutschland beim Technologietransfer und der Patentverwertung hinterher.

 

Politik als Taktgeber

Die Bundesregierung hat inzwischen erkannt, dass Quantentechnologien mehr als nur ein akademisches Forschungsfeld darstellen. Mit der nationalen Quantenstrategie wurde ein erster Rahmen geschaffen, doch Fachleute fordern ambitioniertere Maßnahmen. Langfristige Finanzierungssicherheit, vereinfachte Zugänge zu Hochtechnologieinfrastruktur und gezielte Förderung von Ausgründungen sind essenziell. Vor allem aber braucht es ein neues politisches Selbstverständnis. Forschung und Innovation dürfen nicht in ressortübergreifendem Klein-Klein versickern, sondern benötigen klare strategische Steuerung. Die Gründung eines Ministeriums für Forschung, Innovation und Technologie könnte hier ein zukunftsweisender Schritt sein.

 

Start-ups und Transfer: das schwächste Glied im System

Die Schwachstelle im deutschen Innovationssystem zeigt sich besonders augenfällig im Übergang von der exzellenten Grundlagenforschung zur wirtschaftlichen Verwertung – nirgends so deutlich wie bei Quanten-Start-ups. Während in Frankreich das Unternehmen Alice & Bob mit seiner „Cat-Qubit“-Technologie als Hoffnungsträger einer europäischen Quantencomputer-Industrie gilt, bleibt die hiesige Gründungsszene vergleichsweise blass. Das liegt weniger am fehlenden Know-how – deutsche Universitäten und Forschungszentren zählen zu den weltweit führenden Einrichtungen auf dem Gebiet der Quantenphysik – als vielmehr an einer Reihe systemischer Hindernisse: Die Förderlandschaft ist fragmentiert, Antragstellungen zeitaufwendig und oft praxisfern, zudem schrecken unklare regulatorische Perspektiven und lange Genehmigungsverfahren potenzielle Gründerinnen und Gründer ab.

 

Während in den USA und zunehmend auch in Asien spezialisierte Deep-Tech-Fonds hohe zweistellige Millionenbeträge in frühe Quantenprojekte investieren, bleibt das deutsche Venture Capital in dieser Hochrisikodomäne zurückhaltend. Auch der Technologietransfer aus öffentlich finanzierter Forschung verläuft oft schleppend. Nicht aus Mangel an Innovation, sondern wegen fehlender Schnittstellenkompetenz zwischen Arbeit und Markt. Will Deutschland im globalen Quantenwettlauf nicht ins Hintertreffen geraten, bedarf es eines grundlegenden Umdenkens: Gründungsfreundliche Strukturen, besser koordinierte Förderinstrumente, schnellere Prozesse und eine stärkere Verzahnung von Wissenschaft, Wirtschaft und Kapitalgebern sind unabdingbar.

 

Cybersicherheit im Zeitalter des Quantencomputings

Gerade im Bereich der IT-Sicherheit ist das disruptive Potenzial enorm: Quantencomputer könnten in naher Zukunft Verschlüsselungsverfahren wie RSA oder ECC in Sekunden knacken, mit weitreichenden Folgen für staatliche, wirtschaftliche und private Kommunikationsstrukturen. Der Umstieg auf quantenresistente Verschlüsselungsverfahren ist deshalb keine Frage des Ob, sondern des Wann. Deutschland sollte hier nicht nur auf präventive Normierung setzen, sondern aktiv zur Entwicklung solcher Verfahren beitragen, als strategischer Standortvorteil und sicherheitspolitische Notwendigkeit.

 

Besonders im digitalen Glücksspielmarkt zeigt sich, wie essenziell zukunftsfähige Sicherheitsstandards bereits heute sind. Die Nutzung der verpflichtende OASIS Datei markiert dabei einen wichtigen Meilenstein. Sie stärkt nicht nur den Spielerschutz durch eine zentralisierte Sperrabfrage, sondern zeigt exemplarisch, wie regulatorische Anforderungen mit technologischer Präzision und vernetzten Systemarchitekturen erfüllt werden können. In einer Branche, in der Vertrauen und Transparenz geschäftskritisch sind, sendet OASIS ein deutliches Signal für verantwortungsbewusstes iGaming und legt zugleich die Grundlage für eine Infrastruktur, die auch künftigen sicherheitstechnischen Herausforderungen standhält.

 

Quantenmut statt Planwirtschaft

Der technologische Wandel durch Quantencomputing verlangt ein neues Selbstverständnis von Innovation, eines, das Mut, Tempo und vernetztes Denken in den Mittelpunkt stellt. Die Vorstellung, disruptive Technologien könnten allein durch lineare Förderstrukturen gedeihen, ist überholt. Stattdessen braucht es experimentierfreudige Pilotprojekte, neue Kooperationsformate zwischen Forschung und Industrie sowie eine innovationsfreundliche Fehlerkultur.

 

Hartmut Neven, der deutsche Pionier im Google Quantum AI Lab, steht exemplarisch für diese Haltung. Seine Karriere zeigt, dass Exzellenz und Unternehmergeist keine Gegensätze sind. Deutschland sollte mehr solcher Talente nicht nur ausbilden, sondern auch anziehen.

 

Quantencomputer könnten das Rückgrat der nächsten digitalen Revolution bilden. Vergleichbar mit dem Einfluss, den klassische Computer und das Internet einst hatten. Deutschland hat die wissenschaftliche Basis und das industrielle Potenzial, in diesem Zukunftsfeld eine führende Rolle zu spielen. Doch ohne eine entschlossene, langfristig gedachte Politik, ohne Investitionen in Transferstrukturen, Talente und europäische Partnerschaften wird der viel beschworene „Quantensprung“ ausbleiben. Die Zukunft ist nicht berechenbar, aber sie ist formbar. Jetzt ist der Moment, sie zu gestalten.

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